Hermann PlatzWassyl, Axel

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    Hermann Peter Platz, Kulturphilosoph,

    Geburtshaus Platz'

    geboren: 19.10.1880 Offenbach (Queich) - verstorben: 04.12.1945 Düsseldorf; Grabstätte: Bonn, Südfriedhof, (kath.)

    Vater: Heinrich (1848-1915), Landwirt u. Bierbrauer in Offenbach(Queich).; Mutter: Maria Ulrich (1855-1925);

    Heirat 1907 Paula Kurtz (1884-1960), aus Rippberg (Odenwald);

    Söhne:

    Rudolf (1909-52), Dr. med., Chefarzt,

    Wilhelm (1910-65), Dr. phil., Oberstudienrat, zeitweilig b. d. UNESCO tätig,

    Hermann (1914-69), Jurist, Ministerialrat,

    Günther (* 1915), Kaufmann, musste das Medizinstudium abbrechen, weil er wegen „bündischer Umtriebe" und Kontakten zur kath. Jugendarbeit, z. T. auch in Frankreich, 1943 v. NS-Volksgerichtshof zu eineinhalb Jahren Gefängnis verurteilt wurde,

    Tochter: Hildegard (* 1925, Heirat mit Dr. iur. Heinz Rugo, * 1922, Ministerialrat).

    Familie Platz

    Platz legte 1900 in Landau (Pfalz) das Abitur ab.

    Von Marc Sangnier (1873-1950) für die Ideen einer christlichen Demokratie und Friedensbewegung gewonnen, kam er auch mit Carl Sonnenschein (1876-1929) und dessen Sekretariat Sozialer Studentenarbeit in Mönchengladbach in Verbindung. Er studierte in Würzburg, München und Münster Theologie, dann Philologie. In Würzburg hörte er 1900 - 1902 zusammen mit seinem Freund Theodor Abele (1879-1965) den Theologen Herman Schell (1850-1906), dessen kirchlicher Spiritualismus sie lebenslang zu engagierter Arbeit in Kirche und Gesellschaft anregte. 1905 wurde Platz in Münster mit der Arbeit „Über lautlich-begriffliche Wortassimilationen" zum Dr. phil. promoviert. 1907 legte er das Staatsexamen für den Höheren Schuldienst (Deutsch, Engl., Franz.) ab und wurde Studienrat in Düsseldorf.

    Nach, dem ersten Weltkrieg, an dem Platz 1915-18 teilnahm, wurde er Studienrat in Bonn, 1920 Lehrbeauftragter und 1924 auf Veranlassung von Ernst Robert Curtius (1886-1956) o. Honorarprofessor der Univ. Bonn für franz. Geistes- und Kulturgeschichte.

    Um Abele und Platz bildete sich ein Kreis engagierter Freunde, dem außer Heinrich Brüning (1885-1970) und Robert Schuman (1886-1963) die Philosophen Paul Simon (1882-1946) und Alois Dempf (1891-1982) angehörten. 1913 initiierte diese Gruppe (insbes. durch Impulse Abeles) zusammen mit Franz X. Münch (1883-1940), dem späteren Generalsekretär des Kath. Akademikerverbands, unter der Ägide Ildefons Herwegens OSB (1874-1946) in Maria-Laach die deutsche Liturgische Bewegung und begründete den Kath. Akademikerverband. Hermann Platz brachte Romano Guardini (1885-1968), der sich der Liturgischen Bewegung anschloss, 1922 mit der Jugendbewegung „Quickborn" (Burg Rothenfels) zusammen.

    Angeregt u. a. durch seinen Freund Carl Muth (1867-1944), setzte Hermann Platz sich in zahlreichen Schriften für die deutsch-französischen Verständigung im Sinne eines christlichen Europa ein und gab 1925-29 die Zeitschrift „Abendland" heraus, die zu einem Internat. Forum europäischer christlicher Demokratie wurde und eine föderative politisch-kulturelle Einigung Europas erstrebte.

    Zu den Mitarbeitern und Lesern gehörten u. a. Brüning, der österreichische Bundeskanzler Ignaz Seipel (1876-1932), der italienische Christdemokrat Luigi Sturzo (1871-1951) und dessen Schüler Alcide De Gasperi (1881-1954).

    Seit 1929 gab Platz die Schriftenreihe „Studien zur abendländischen Geistes- und Gesellschaftsgeschichte" heraus. Am 11. 8. 1925 hielt er die Verfassungsrede vor den Repräsentanten des Reichs im Berliner Reichstag. Als Mitherausgeber der Zeitschrift „Una Sancta" (1925-27), die am 11. 4. 1927 von Rom untersagt wurde, gab er ökumenische Impulse. Später wandte er sich mit seinen Freunden vom Kath. Akademikerverband ab und wurde tragendes Mitglied des einflussreichen „Werl-Soester-Kreises" in Werl (Westfalen) um Abele. Als Erzieher gab er der akademischen Jugend, die er regelmäßig um sich versammelte, Anstöße. Während des Dritten Reichs gehörte Platz dem Widerstand an; in seinem Bonner Haus wurden 1934 die in ev. und kath. Pfarreien im gesamten Reich verlesenen „Studien zum Mythus des 20. Jh." (200.000 Exemplare) als Gegenschrift zur Ideologie Alfred Rosenbergs vorbereitet (unter Beteiligung u. a. von Karl Barth, 1886-1968, Erik Peterson, 1890-1860, Alois Dempf und dem Initiator der Aktion Wilhelm Neuß, 1880-1965).

    Am 23. 3.1935 wurde Hermann Platz der Universitäts-Lehrauftrag entzogen.

    Am 28. 5. 1945 wurde er auf Anregung Robert Schumans zum Leiter der Kulturabteilung im Oberpräsidium der Nord-Rheinprovinz berufen (faktisch als erster Kultusminister des späteren Landes Nordrhein-Westfalen). Bald darauf verstarb er jedoch nach einer Halsoperation.

     

    Quelle:

    Neue Deutsche Biographie

    Herausgeber: Historische Kommission der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

    Verlag Duncker & Humboldt, Berlin 2001


    Der „Abendland"-Kreis der Zwischenkriegszeit

    1959 erinnerte Robert Schuman in einem „Blatt dankbarer Erinnerung" an das erste deutsche Treffen der liturgischen Bewegung im rheinischen Benediktinerkloster Maria Laach in der Karwoche 1913, an dem er selbst teilgenommen hatte. Das kulturelle und politisch-sozial entscheidende Moment dieser Aufbruchbewegung war die Laienarbeit und Sammlung katho­lischer Intellektueller in Verbindung mit ihrer Kirche. Das eröffnete die Möglichkeit zur Ver­bindung von theologischer und politischer Ideologie. Realisieren sollte sie sich ebenso in der politisch-theologischen Reichsideologie der Zwischenkriegszeit und in der „Abendland"-Ideologie wie in der Bildung christdemokratisch-zentristischer Parteien, der internationalen Zusammenarbeit christdemokratischer Parteien seit der Zwischenkriegszeit und schließlich in der Gründung der christdemokratischen Parteien MRP und CDU/CSU nach dem Zweiten Weltkrieg.

    Der junge Rechtsanwalt aus Metz war seit seiner Straßburger und Münchener Studienzeit mit führenden deutschen Vertretern der katholischen Erneuerungsbewegung befreundet. Als „Straßburger Kreis" bildeten sie den Kern der sozial­studentischen Arbeit, der späteren katholischen Jugendbewegung „Quickborn" und des 1913 gegründeten Verbands der „Katholischen Akademikervereine", die vom Rheinland ausgingen.

    Schuman vertiefte als lothringischer Vertrauensmann des „Volksvereins für das Katholische Deutschland" kurz vor dem Ersten Weltkrieg das Verhältnis mit seinen deutschen Studienfreunden in der liturgischen Bewegung des Klosters Maria Laach unter dem neuen Abt Ildefons Herwegen. Sie schloss an das französisch-belgische „Renouveau catholique" an. In Maria Laach traf Schuman 1913 außer mit Herwegen mit den westdeutschen Studienräten Hermann Platz und Theodor Abele, mit dem Kaplan Franz Xaver Mönch und mit dem späterern Reichskanzler Heinrich Brüning zusammen, der diesem Freundeskreis ebenfalls angehörte.

    Den „tiefen Eindruck", den dort der Benediktiner Herwegen, der Romanist Platz und der Stadienrat Abele auf Robert Schuman gemacht haben, beschrieb der ehemalige französische Ministerpräsident und Außenminister bald ein halbes Jahrhundert später 1959: „Es war dieses Treffen für uns ein Ereignis, ein gemeinsamer Ausgangspunkt. [...] Damals schon begannen wir einzusehen, dass alles, was der Verständigung, der Einheit und Brüderlichkeit die Wege ebnet, aus derselben Quelle schöpft. In diesem Sinne war auch Maria Laach ein Grundstein für das kommende Europa".

    Der junge Romanist Hermann Platz hatte Anfang dieses Jahrhunderts die Reform-Bewegungen des französischen Katholizismus in Deutschland zunächst publizistisch und nach 1918 auch wissenschaftlich bekannt gemacht. Das galt sowohl für die christlich-demokratische Jugendbewegung des „Sillon" von Marc Sangnier wie für die nationalistische „Action francaise" des Charles Maurras. 1924 errang Platz mit diesen Arbeiten eine durch Ernst Robert Curtius vermittelte Honorarprofessur an der Universität Bonn, an der er bereits seit 1920 Romanistik gelehrt hatte.

    In der 1924 publizierten grundlegenden Schrift „Um Rhein und Abendland" griff Platz den doktrinären Nationalismus und Revanchismus auf beiden Seiten des Rheins an. Statt des Gegensatzes zwischen einem dynamischen Deutschland und einem statischen Frankreich beschrieb Hermann Platz als politische Zukunftsaufgabe das analog-solidarische Denken der christlichen Einheit der europäischen Völker. Apodiktisch stellte er bereits damals in einer Flugschrift der rheinischen Zentrumspartei die Forderung auf: „Am Rhein aber ist noch das lebendig, was man die Idee des Abendlandes nennt. [...] Paneuropa wird neu werden aus der Idee des Abendlandes". Ähnlich selbstbewusst hieß es in einer anderen Schrift: „Unser Sitz ist die Mitte. Die Mitte Europas, das ist klar. Aber auch die Mitte Deutschlands. [...] Wir fühlen uns als Ausgangspunkt, als Kern".

    Seitdem diente Platz an führender Stelle der Vermittlung neuer geistiger, christlicher und politischer Strömungen aus der französischen Dritten Republik in die junge Republik von Weimar. 1925 hielt er die Verfassungsrede im Reichstag auf Vermittlung durch Brüning. 1927 wirkte er mit an der Bildung einer Gruppe republiktreuer Hochschullehrer und bekannte sich zur christlichen Demokratie. Platz arbeitete für die deutsch-französische Verständigung in den von Sangnier initiierten und großen Zuspruch findenden überparteilichen Jugend-Treffen von Freiburg 1923, von Luxemburg 1925 und Bierville 1926. In den zwanziger und frühen dreißiger Jahren war er führend an den deutseh-französischen Treffen von Katholiken und christlich-demokratischen Parteien beteiligt.

    Im Anschluss an das erste deutsch-französische Treffen der verständigungsbereiten Jugend nach dem Wellkrieg in Freiburg plante Platz 1923 nach einer Idee des Münchener Philosophen Alois Dempf die Gründung einer ökumenischen internationalen Monatszeitschrift „Occidens Christianus". Sie sollte Berichte prominenter Köpfe aus katholischen Ländern über die dortige Bewegung in Frömmigkeit, Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft bringen. Daraus entstand schließlich 1925 die Zeitschrift „Abendland". In deren Herausgeberkollegium waren führende Politiker des Zentrums und christlich-sozialer Parteien sowie katholische Intellektuelle aus dem Rheinland und Westfalen, aus Bayern und aus Österreich wie Ignaz Seipel, Hugo Graf Lerchenfeld, Friedrich Schreyvogel, Goetz Briefs und Richard Kuenzer vertreten.

    Unter den Autoren finden sich die führenden europäischen katholischen Intellektuellen und Politiker der damaligen Zeit.

    Heinrich Brüning verfolgte die Gründung mit Sympathie und gelegentlichen Beiträgen, ohne die Pflichten als Mitherausgeber übernehmen zu wollen. 1925 gründete Platz auch die Ökumenische Zeitschrift „Una Sancta", die allerdings schon nach drei Jahrgängen auf Druck des Heiligen Stuhls ihr Erscheinen wieder einstellen musste.

    Mit der Rheinlandräumung durch die Franzosen stellte auch die Zeitschrift „Abendland" 1930 ihr Erscheinen ein. Mit dem erreichten Ziel der letzten Räumung deutschen Territoriums durch französische Truppen schien der Mehrheit katholischer nationaler Kreise eine weitere deutsch-französische Verständigung im übergreifenden „abendländischen Sinne" obsolet geworden.

    Hermann Platz war nun stärker auf den persönlichen Kontakt mit französischen Freunden und Kollegen zurückgeworfen. Die geistige und pädagogische Zusammenarbeit der Katholiken vertiefte er in drei Tagungen der 1930 von ihm begründeten „Union des Etudes franco-allemandes".

    Von 1929 bis 1937 gab er die „Studien zur abendländischen Geistes- und Gesellschaftsgeschichte" heraus. 1932 konstatierte Platz, dass er als Realist zwar den nationalen Staat anerkenne, dass dieser aber „in der Folge Souveränität und Autarkie nicht in einem absoluten und isolierten Sinn wird aufrecht erhalten können".

    Damit steht Platz Anfang der dreißiger Jahre im supranationalen Diskussionszusammenhang einer kleinen Gruppe katholischer, neuthomistischen Ideen verpflichteter Intellektueller in Frankreich und Deutschland. Diese propagierten eine Beschneidung staatlicher Souveränität zugunsten einer organisch-föderalen sozialen und rechtlichen europäischen Friedensordnung. Damit hatte Platz das jungkonservative Milieu mit seiner Ausrichtung auf ein nationalstaatlich verfasstes Europa verlassen.

    1935 wurde er von den Nationalsozialisten aus dem Bonner Lehramt entlassen.

    1945 betraute ihn die britische Besatzungsverwaltung auf Empfehlung Robert Schumans mit der Kulturverwaltung der nördlichen Rheinprovinz in Düsseldorf, allerdings lebte er nur noch wenige Monate.