UNESCO: "Wiesenbewässerung ist Immaterielles Kulturerbe der Menschheit"


Der Zwischenstaatliche Ausschuss hat letzte Woche in Kasane/Botswana entschieden, die "Traditionelle Bewässerung in Europa: Wissen - Technik - Organisation" in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufzunehmen.
Bei der Traditionellen Bewässerung wird mit alleiniger Nutzung des natürlichen Gefälles, d. h. mit Hilfe der Schwerkraft, Wasser aus einem Bach oder Fluss über Gräben und Kanäle in die Fläche verteilt. Dazu gehört auch die Wiesenbewässerung, die bis Mitte des letzten Jahrhunderts in Europa weit verbreitet war, seither aber fast völlig verschwand. In sieben Gemeinden entlang der Queich zwischen Landau und Germersheim wird sie nach wie vor praktiziert. Dazu gehört seit Jahrhunderten ununterbrochen die Gemeinde Offenbach und seit der Wiederherstellung des Hochstadter Queichwehrs vor einigen Jahren auch wieder die Gemeinde Hochstadt.

Zwischen Landau und Germersheim befindet sich heute mit rund 450 Hektar das größte zusammenhängende noch aktive Wiesenbewässerungssystem Deutschlands. Diese landwirtschaftliche Kulturtechnik ist seit 2018 als Immaterielles Kulturerbe in Deutschland anerkannt. Trägerin des Kulturerbes ist die Interessengemeinschaft Queichwiesen, in der Landwirte, Naturschützer und Vertreter der beteiligten Gemeinden zusammenarbeiten.
Zwei Jahre später wurde auch die Wiesenbewässerung in Franken, in der Region Nürnberg und Forchheim, in das nationale Verzeichnis aufgenommen. Gegenstand des Kulturerbe-Titels sind nicht die Queichwiesen selbst oder technische Bauwerke, sondern die landwirtschaftliche Kulturtechnik, die auf einem über Jahrhunderte von Generation zu Generation weitergegebenen Wissen beruht.

Die Wiesenbewässerung war in den vergangenen Jahrhunderten existenziell für die Bevölkerung, denn sie sorgte für einen sicheren Heuertrag, der wiederum einen entsprechend großen Viehbestand ermöglichte und damit Milch, Käse, Fleisch, Dünger und tierische Zugkraft lieferte.
Neuerdings rückt die ökologische Funktion mehr in den Blick: Die wechselfeuchten Wiesen bieten einer großen Anzahl von Tier- und Pflanzenarten Lebensraum und beispielsweise für durchziehende Vogelarten einen Rastplatz. Das Mosaik von bewässerten und nicht bewässerten, intensiv oder weniger intensiv genutzten Wiesen schafft eine große Strukturvielfalt und damit eine hohe Artenvielfalt. Gleichzeitig erfährt der Beitrag der Wiesenbewässerung zum Landschaftswasserhaushalt angesichts zunehmender Trockenheit erhöhte Aufmerksamkeit.

Aufgrund der Zusammenarbeit in der Interessengemeinschaft Queichwiesen ist es gelungen, die Wiesenbewässerung in der Region zu erhalten und stellenweise wieder zu reaktivieren. Im Frühjahr und im Sommer werden in Landau, Offenbach, Hochstadt, Ottersheim, Zeiskam, Knittelsheim und Bellheim die Wiesen bewässert. Darüber hinaus findet seit mehreren Jahren ein reger Austausch mit ähnlichen Initiativen in einem europaweiten Netzwerk statt, der 2022 in einem gemeinsamen Antrag von sieben europäischen Ländern an die UNESCO mündete. Beteiligt waren neben Deutschland die Niederlande, Belgien, Luxemburg, die Schweiz, Österreich (federführend bei der Antragsstellung) und Italien. Nach der jetzigen Entscheidung der UNESCO darf nun die jahrhundertealte Kulturtechnik als "Immaterielles Kulturerbe der Menschheit" bezeichnet werden.

Für das kommende Frühjahr ist ein angemessener Festakt vorgesehen. Außerdem werden mehrere geführte Exkursionen während der Bewässerung angeboten werden.

Freundliche Grüße
Axel Wassyl
Bürgermeister